Entsetzen, Unverständnis, Kopfschütteln herrschte bei den etwa 40 Gästen im Festsaal des alten Rathaus Fürstenwalde: Es war eine Geschichte wie aus dem Tollhaus, doch es ist Realität in Brandenburg, was der freie Journalist Michael Billig am Freitagabend über illegale Abfalllager in Fürstenwalde berichtet. Die Stadtfraktionen der Grünen und das Bündnis Fürstenwalder Zukunft (BFZ) hatten den Journalisten Billig, den Landtagsabgeordneten Benjamin Raschke (B90/Grüne), wie auch den neuen Bürgermeister Matthias Rudolph zu einem Austausch geladen. Moderiert wurde der Abend von den Fürstenwalder Stadtverordneten Kai Hamacher (BFZ) und dem Juristen Jens-Olaf Zänker. Billig recherchiert für sein Blog „Muellrausch.de“ über die Auswirkungen der Abfallentsorgung und hat den Fall „Tränkeweg 15“ in Fürstenwalde-Süd vorgestellt.
Nach einer erschütternden Bilderserie über alte Matratzen, die seit Jahren vor sich hingammeln, Bergen von Bauschutt, triefenden Ölfässern und einem Trafohaus aus dem Öl ausläuft, stellte Billig Dokumente von Behörden vor. Erstmalig aktenkundig wurde das Abfalllager demnach bereits im Jahr 1996. Immer wieder wurden die Betreiber des Abfalllagers auffällig. Mal forderte das Landesumweltweltamt Sicherheitsleistung, dann schickte ein Betreiber seine Firma in die Pleite. Öfters wurde der Betreiber aufgefordert, den Müll zu beseitigen. Pikant aus heutiger Sicht ist auch, dass der kreiseigene Betrieb „Kommunales Wirtschaftsunternehmen Entsorgung (KWU)“ Sperrmüll (7.000 Tonnen jährlich) bei dem Betreiber des Geländes am „Tränkeweg 15“ entsorgen lies, weil der so „kostengünstig“ sei. Das ging aus einem Dokument des Jahres 2006 des Landesumweltamtes hervor.
Anfang des Jahres 2013 wurde sogar damit gedroht, dem Betreiber das Zertifikat „Entsorgungsfachbetrieb“ zu entziehen. Nur wenige Tage später stellte das Landesumweltamt Strafanzeige gegen den Betreiber wegen der illegalen Abfalllagerungen. Damit hätte die Geschichte enden können. Doch Billig hat recherchiert: Die gleiche Behörde, die die Strafanzeige stellte, genehmigte dem Betreiber nur knapp drei Monate später eine neue Anlage auf dem gleichen Gelände.
Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) ermittelte im Jahr 2014, was auf dem Gelände alles lagerte. Sie wurde ausdrücklich vor einer Brandgefahr wegen Lagerung hoher Mengen brennbarer Abfälle – vorwiegend Kunststoffabfälle – gewarnt, auch werde Asbest dort unsachgemäß gelagert. Nur etwa ein Jahr später – im Jahr 2015 – wurde das Verfahren gegen eine kleine Geldbuße und der Auflage, den Müll zu entfernen, eingestellt. Ob der Betreiber das auch wirklich getan hat, sei nicht wirklich klar. Billig erläuterte, dass es Praxis sei, sich von Betreiber bescheinigen zu lassen, dass er auch wirklich seinen Müll weggeräumt hat. Begehungen von Behörden zu Überwachung der gerichtlichen Auflagen sind eher die Ausnahme. Als der Journalist Anfang dieses Jahres das Gelände besuchte, fand er zumindest immer noch Asbest in den Müll- und Schuttbergen. Ein Grundproblem sei es, dass auf dem Gelände es genehmigte Bereich gibt, für die dann das Land zuständig es, und es daneben weitere Bereiche gibt, wo ungenehmigt Müll gelagert wird. Dafür ist dann der Kreis zuständig.
Der Landtagsabgeordneten Benjamin Raschke (B90/Grüne) hat in diesem Fall bereits die Landesregierung um eine Stellungnahme gebeten. Mit einem überraschenden Ergebnis: „Dem LfU (Landesamt für Umwelt) liegen … keine Erkenntnisse vor, wonach die auf dem ehemaligen Betriebsgelände der TRG GmbH lagernden Abfälle gefährlich sind“. Allerdings seien außerhalb des Genehmigungsbereiches des Umweltamtes Gebäude in den letzten Jahren abgerissen worden. Es seien Tanks aus der früheren Nutzung des Geländes vor 1990 freigelegt worden Asbest- und Teerpappeabfälle sind nach Abrissmaßnahmen auf dem Gelände verblieben. Dafür sei aber das Landesumweltamt nicht zuständig, sondern der Landkreis Oder-Spree. „Auf Nachfrage der Landesregierung teilte die zuständige untere Abfallwirtschafts- und Bodenschutzbehörde des Landkreises Oder-Spree mit, dass am Standort nach derzeitigem Kenntnisstand keine Maßnahmen zur Gefahrenabwehr geboten seien“, heißt es in der Antwort aus dem Umweltministerium.
„Offensichtlich liegt dort gefährlicher Müll, aber keine Behörde nimmt das ‚weitläufige Gelände‘ persönlich in Augenschein, ergo gibt es keine zuverlässige Gefährdungsbeurteilung. Es ist ein Unding sondergleichen. Weil illegaler Müll neben einer Müllkippe liegt, soll nun ein Schwarzes Peter Spiel beginnen. Land und Kreis müssen sich einigen, wie mit dem Müll umgegangen werden soll“, fordert der umweltpolitischen Sprecher der Bündnisgrünen Landtagsfraktion Benjamin Raschke.
Die Grünen im Kreistag wollen nun den Druck erhöhen und werden sich der Sache annehmen, kündigte Kreistagsmitglied Bernd Saliter an. „Sich einfach einen schlanken Fuß machen und sagen, dort liegt nichts Gefährliches, kann nicht das Ende sein.“. Auch der Stadtverordnete Jens-Olaf Zänker mahnt: „Das Mindeste, was es jetzt braucht, ist eine öffentlich rechtliche Begehung, um zu erfahren, was dort eigentlich lagert. Besonders vor der beginnenden Waldbrandsaison muss alles getan werden, dass im Falle eines Brandes im Abfalllager die Bevölkerung von Fürstenwalde nicht starker Gesundheitsgefahr ausgesetzt wird“. Auch sei auslaufendes Öl aus einem Trafohaus wegen der Gefahr für das Trinkwasser nicht zu tolerieren.
Auch der neue Bürgermeister von Fürstenwalde, Matthias Rudolph, will aktiv werden. Ein Treffen mit dem Landrat sei schon angesetzt, wo über diese Frage geredet werden soll.
- Antwort der Landesregierung: „Gefährliche Müllablagerungen in Fürstenwalde“ www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w6/drs/ab_8600/8677.pdf
- Mehr Informationen zum dem Fall in Fürstenwalde von Michael Billig www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2018/02/muell-ohne-ende-illegale-abfalllager-in-brandenburg.html